„Oh, Champ Elysees“: Manuel Scheichl hat einen Traum, einen großen Traum. Der Handbiker aus Bayerbach will bei den Paralympics 2024 in Paris starten. Im neuen Jahr möchte er sich für das Rennen seines Lebens qualifizieren – und er kann dabei nicht nur auf Muskeln und ein neues Carbon-Bike vertrauen, sondern auf eine große innere Kraft.
Von Michael Scherer
Ungebremst im Winter: Manuel Scheichl montiert an seinem alten Handbike die Bremsgriffe ab, in der kalten Jahreszeit trainiert der Sportler in den heimischen vier Wänden – „auf der Rolle"
Es ist kalt im Rottal, Manuel Scheichl (41) rollt vor in einen Raum hinter der Garage. Zwei Meter ist das Viereck in etwa breit, vielleicht vier Meter lang. An der Stirnwand hängt ein CD-Regal, an der Seite, auf einem Schrank, stehen Motorrad-Modelle und liegen -Helme. Unspektakulär oder vielleicht auch nicht für einen Mann, der seit einem Motorrad-Sturz querschnittsgelähmt im Rollstuhl sitzt. Fürs große Spektakel ist in diesem Raum jedoch ein Gefährt mit drei Rädern zuständig, an dem alles irgendwie verkehrt scheint. Die Kurbeln in Hüfthöhe, der Übersetzer führt die Kette von oben nach unten, die Bremse über dem Rahmen. Doch für den 41-Jährigen befindet sich an dieser Handbike-Rennmaschine überhaupt nichts am falschen Fleck, nur die Bremsgriffe können in der kalten Jahreszeit runter, denn Manuel Scheichl trainiert „auf der Rolle“ – bei ihm läuft halt das Vorderrad auf einer Walze.
„Früher war’s eher Breitensport“
Mit seinem Bike ist der Niederbayer in diesem Jahr nicht allein durch deutsche Lande gereist. Nein, der Niederbayer fährt inzwischen nicht nur Weltcups, sondern qualifizierte sich 2022 auch erstmals für die Weltmeisterschaft. In Baie-Comeau. In Kanada. Obwohl Manuel Scheichl seinen Sport erst seit drei Jahren so richtig mit Passion betreibt, „zuvor war’s eher Breitensport“.
Der Kontakt zum Oberösterreicher Walter Ablinger aus Rainbach bei Schärding brachte den Niederbayern ins Rollen. Der zweifache Olympiasieger, Welt- und Europameister motivierte ihn zum gesteigerten (Trainings-)Aufwand, in Elmar Sternath vom RSLC Holzkirchen fand der 41-Jährige einen wunderbaren Trainer. „Wir probieren das jetzt mal“, sagte Sternath, ein ebenfalls erfolgreicher österreichischer Paracycler.
Und seit dieser Saison läuft’s: Nach dem Europacup-Sieg 2021 im slowakischen Tuchov beginnt die Saison nach einem 14-tägigen Trainingslager auf Mallorca mit den Weltcup-Rennen in Elzach (Landkreis Emmendingen/Baden-Württemberg). Platz 3 beim Einzelzeitfahren und Rang 5 beim Straßenrennen über 44 Kilometer springen Anfang Mai dabei heraus, „fürs erste Mal nicht schlecht, aber ich habe Lehrgeld gezahlt“, erinnert sich der Weltcup-Novize – gerade mit den engen Kurven auf dem Rundkurs kam der Niederbayer nicht wirklich zurecht. Aber welche Sportler-Karriere verläuft schon als Erfolgs-Gerade?
Immerhin: Nach den Wettbewerben im Badischen ereilt Scheichl eine WhatsApp vom Bundestrainer. Mit schönem Inhalt: „Er hat mich informiert, dass ich bei der Europameisterschaft mitfahren darf.“ Und das quasi vor der Haustür, in Peuerbach (Oberösterreich), fährt Manuel Scheichl im Einzelzeitfahren auf Rang 4, im Rennen auf den 3. Platz – damit hat er Ende Mai das Ticket für die WM in der Tasche.
Große Erkenntnis bei der DM
Einen wichtigen Moment erfährt der Niederbayer allerdings nicht bei einem internationalen Kräftemessen, sondern in Nordrhein-Westfalen. Bei den Deutschen Meisterschaften. Der 41-Jährige landet vor den Toren Kölns in Frechen im Einzelzeitfahren „nur“ auf Rang 4, lässt aber im Straßenrennen die Konkurrenz hinter sich. Gold für Scheichl, Gänsehaut-Alarm beim behinderten Sportler aus der kleinen Gemeinde im Rottal. „Da habe ich das erste Mal richtig gemerkt, dass es lohnt, sich zu quälen. Für ein Ziel.“
Als Deutscher Meister geht’s für den Flachländer im Juli weiter in die Alpen – zum zweiwöchigen Trainingslager mit der Nationalmannschaft, er möchte bestens vorbereitet sein für die Weltcup-Rennen und die Weltmeisterschaft im fernen Kanada. Doch die Höhe im Gebirge bereitet seinem Körper zunächst Probleme, sein Kopf schmerzt. Erst langsam bessert sich die Lage auf 1800 Metern Meereshöhe in Livigno. Die Pein im Kopf bekommt er auch durchs richtige Trinken in den Griff.
Aber nicht nur die Flüssigkeits-Aufnahme zur rechten Zeit ist bisweilen ein Problem für den Hochleistungssportler, auch die -Abgabe. „Ich kann nicht richtig schwitzen“, sagt Manuel Scheichl, „das ist eine Folge der Lähmung ab dem Brustwirbel.“ Für Otto-Normal-Mensch ist dies eher ein marginales Problem, für einen Sportler ist es ein echtes, denn Scheichls Körper erhitzt sich ja durch die permanente Belastung und kann die Wärme nicht richtig – eben durch Schweiß – abtransportieren. Deshalb trainiert der Bayerbacher im Sommer auch gerne schon mal um 5 Uhr morgens, aber in den Griff bekommt er dieses Dilemma nicht wirklich. „Andere schwören auf Cool-Shirts, ich hab’s probiert, bringt nix“, gesteht der 41-Jährige. Ihm bleibt also nur, seinen Körper regelmäßig per Trinkflasche zu kühlen. Ein Lernprozess.